“Beratungsspaziergänge”
Angebote in Zeiten von Corona (Stefanie Daniel)
Da unser Verein “Süße Zitronen e.V.” aus der Selbsthilfe entstanden ist und wir nicht nur Fachkräfte, sondern auch selbst betroffene Eltern von Kindern mit einer Behinderung sind, befassen wir uns natürlich täglich mit der Fragestellung, inwieweit sich die Corona-Pandemie auf den Alltag von Familien mit Kindern mit einer Behinderung auswirkt. Alltag gestaltet sich für Familien mit besonderen Kindern ohnehin schon deutlich schwerer. Wir als betroffene Eltern müssen uns immer wieder neuen Herausforderungen stellen, bürokratische Hürden überwinden und zahlreiche Termine strukturieren und wahrnehmen. Zusätzlich ist ein solcher Alltag, ob zu Beginn oder auch noch nach Jahren, stets von vielen Sorgen geprägt. Die psychische Belastung und damit einhergehende Erschöpfungszustände sollten daher niemals außer Acht gelassen werden.
Diese kommen in Zeiten der Corona-Pandemie natürlich noch vermehrt zum Tragen, vor allem seit erstmals die Schulen geschlossen wurden und Ende März der erste Lockdown ausgerufen wurde. Auch wir als betroffene Eltern haben die Erfahrung machen müssen, an unsere Grenzen zu geraten, als unsere Kinder mit Behinderung tagtäglich zuhause waren und wir z.B. ganztägig die Pflege unseres Kindes übernehmen, Therapieangebote notdürftig ersetzen oder uns dem besonders herausfordernden Verhalten stellen mussten, welches sonst zu einem erheblichen Teil in der Schule aufgefangen werden konnte. Alles unter Berücksichtigung der oben genannten Faktoren und der Tatsache, dass auch die Eltern aufgrund von Homeoffice oder diverser Schließungen etc. kaum Möglichkeiten haben, sich Erholungszeiten zu schaffen, in denen sie Kraft für ihren besonderen Alltag sammeln können. Auch bei unseren zu beratenden Familien haben wir einen hohen Unterstützungs– und Redebedarf festgestellt. Wir haben das schöne Wetter genutzt und viele “Beratungsspaziergänge” durchgeführt. Der Wunsch nach Unterstützung in der Kinderbetreuung ist natürlich gerade besonders groß, die Suche nach geeigneten Kräften in der aktuellen Zeit hingegen sehr schwierig. Ein weiteres Bedürfnis der Familien ist die Teilnahme an Spielgruppen oder ähnlichen Freizeit- und Entlastungsangeboten. Zu Beginn des Jahres waren wir bereits in der Planung, solche Gruppenangebote zu organisieren. Wir haben sehr viele Ideen, die wir in der aktuellen Situation jedoch leider nicht umsetzen können. Dennoch versuchen wir für alle anderen Anliegen der Familien da zu sein und haben bisher immer gute Lösungen gefunden, den Eltern hilfreich zur Seite zu stehen, ob persönlich mit entsprechenden Schutzmaßnahmen, an der frischen Luft, per Telefon oder auch per Videokonferenz. Die Corona-Pandemie hat ein solches Ausmaß angenommen, woran anfangs gar nicht zu denken war. Dies bringt nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Gesellschaft an ihre Grenzen.
Seit Beginn aller getroffenen Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie ist jedoch noch deutlich spürbarer, dass die Menschen mit einer Behinderung in unserer Gesellschaft immer noch eine Randgruppe darstellen und leider immer noch zu wenig Gehör finden. Was also brauchen Familien mit einem Kind mit Behinderung? Sie sollten gesehen und gehört werden mit all ihren besonderen Bedürfnissen, die nicht der “gesellschaftlichen Norm” entsprechen.